Ein Jahrhundertprojekt für den Mainzer Dom
Die neue Domorgel ist eingeweiht – und sie soll auch weit über die 1000-jährigen Mauern des Domes hinaus wirken. Fünf Millionen Euro haben die beiden ersten
Abschnitte gekostet.
Von Maike Hessedenz Stellvertretende Redaktionsleiterin Mainz
Die neue Domorgel im
Mainzer Dom. (Foto: Sascha Kopp / VRM Bild)
MAINZ - Die ersten Klänge, die auf der neuen Orgel im Mainzer Dom erschallen, sind die der wohl bekanntesten Dankes-Hymne der Katholiken: „Großer Gott, wir loben
dich.“ Angemessener könnte der liturgische Einstand für das neue Herzstück des Mainzer Doms wohl kaum sein. Das, was die Orgelbaufirmen Goll und Rieger im Mainzer Dom verbaut haben, nur als
„Instrument“ zu bezeichnen, würde dem so zentralen neuen Ausstattungsmerkmal der Mainzer Bischofskirche nicht gerecht: Die beiden neuen Orgeln, eine davon im Ostchor, die vor wenigen Wochen
fertiggestellt wurde, und die bereits seit einem Jahr aktive neue Orgel an der Marienkapelle, erklingen gemeinsam – und sorgen dafür, dass der Mainzer Dom ein völlig neues Gesicht erhält.
Die pralle Wucht des neuen Klangerlebnisses lässt den Raum völlig neu erfahren; Domdekan Hennig Priesel formuliert es als „Mantel, von dem man eingehüllt wird“. Was
gerade angesichts des Patrons des Mainzer Doms, dem Heiligen Martin, der ebenfalls mit seinem Mantel Wärme und Liebe weitergegeben hat, umso passender sei.
Weihe der Domorgel ein „Jahrhundertereignis“
Es sind 9756 Orgelpfeifen, die in den beiden jetzt fertiggestellten Bauabschnitten erklingen – fast unscheinbar sind sie am Marktportal und im Ostchor verbaut. Umso
überraschender, epochaler und einnehmender erfassen die ersten gewaltigen Akkorde den Zuhörer. Als der Schlussakkord von Widors Toccata aus der Symphonie No. V in f-Moll erklingt, dem Werk das
prädestiniert ist, um die Vielschichtigkeit des allumfassenden orchestralen Klangs zu verdeutlichen, scheinen die Mauern des Doms vor dieser hier noch nie dagewesenen musikalischen Wucht zu
erbeben. Dass er wochenlang bis nachts um drei Uhr an dem neuen Instrument geübt habe, daraus macht Domorganist Professor Daniel Beckmann kein Geheimnis. „Es ist wie ein neuer Job in alten
Mauern“, sagt er. Für ihn gehe mit der neuen Orgel ein Traum in Erfüllung; und das spürt man bei jedem Akkord, den er anstimmt. Bei Julius Reubkes Sonate wirkt es, als spiele er sich in einen
Rausch – und die Zuhörer können gar nicht anders als mit einzutauchen in diesen klanggewaltigen Ozean.
Die beiden ersten Bauabschnitte, die den
markantesten und wichtigsten Teil der neuen Domorgel darstellen, haben etwa fünf Millionen Euro verschlungen – Geld, das weit über die Mauern des Domes hinaus wirken soll. „Wir haben diese Orgel
bauen lassen in einer Zeit, in der nach dem Sinn der Kirche und ihrer Verkündigung aus unterschiedlichen Gründen gefragt wird“, so der Mainzer Bischof, der sich beim Konzert nach der Weihe selbst
zu Daniel Beckmann an den Spieltisch setzt und unter anderem den „Bolero“ von Ravel erklingen lässt. Als beide nach dem ersten Konzert durchs Mittelschiff nach vorne kommen, werden sie gefeiert
wie Popstars; der Jubel der Gäste, die allesamt überwältigt von dem neuen Dominventar scheinen, will kaum abebben.
Kommentar von Maike Hessedenz
MAINZ - Die fünf Millionen Euro, die die Kirche bislang in die neue Domorgel investiert hat, hören sich auf den ersten Blick nach einem gewaltigen Batzen Geld an.
Aber schon nach dem ersten Konzert ist klar: Die neue Orgel war und ist jeden Cent wert. Dass das Interesse an dem wohl wichtigsten Instrument des Bistums groß ist, zeigen die vielen Spender, die
Patenschaften übernommen haben, das Engagement von Dombauverein und Stiftung Hoher Dom. Die Kirche hat schwere Zeiten zu meistern, ist unter vielerlei Gesichtspunkten zu Recht in der Kritik. Die
Investition in die neue Domorgel ist allerdings ein klares Bekenntnis der Kirche auch zur außersakralen Gesellschaft, zur Stadt und zur Region. Der Mainzer Dom ist DAS Wahrzeichen der Stadt, es
gibt wohl kein Gebäude, das öfter fotografiert wird, das mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht. Genau diese Popularität muss das Bistum endlich nutzen. Mit der neuen, wahrhaft extraordinär
klingenden neuen Orgel gelingt der Kirche ein Brückenschlag in die Stadtgesellschaft. Jetzt ist es aber auch an Bürgerinnen und Bürgern, diese Einladung der Kirche, den Dom als Kulturgut neu zu
erleben, anzunehmen. Von der neuen Orgel können alle profitieren. Die Kirche, die Menschen – egal, welcher Konfession – und die Stadtgesellschaft inklusive Einzelhandel, Hotellerie, Gastronomie
und Kulturszene.